Alexander Blessin kam im vergangenen Sommer von Union Saint-Gilloise ans Millerntor. Das erklärte Ziel bei Amtsantritt war selbstverständlich der Klassenerhalt in der 1. Fußball-Bundesliga der Männer. Nun ist nach 15 absolvierten Spieltagen Winterpause und die Lage sieht ziemlich gut aus – weil der Trainer aus Fehlern lernt und ambitioniert bleibt.
Der einzige schwerwiegende Fehler vom St. Pauli Coach liegt bereits einige Zeit zurück. Zu Beginn der Saison setzte Blessin auf seine bevorzugte Formation 3-5-2, die war jedoch nicht kompatibel mit den Spielern von St. Pauli. Die waren in der Meistersaison das 3-4-3 gewohnt und da der Kader im Großen und Ganzen zusammen geblieben ist, war das veränderte Spielsystem eine zu große Herausforderung. Vor allem da die beiden besten Spieler dabei außen vor waren, Elias Saad und Oladapo Afolayan. Die Bilanz in den ersten 4 Spielen war ein Zittersieg im DFB-Pokal in der Verlängerung gegen Regionalligist Halle und drei Niederlagen in der Bundesliga. Besonders schmerzhaft, da schlagbare Gegner den Kiezkickern 3 mögliche Punkte abnahmen. Zuerst Heidenheim, die auf dem Relegationsplatz überwintern, sowie Union und Augsburg, die beide hinter St. Pauli stehen würde, hätten die Boys in Brown das Direktduell für sich entschieden.
Doch danach überzeugte Blessin mit dem 3-4-3 System und punktete. In der Tabelle ab dem 4. Spieltag steht der FC St. Pauli auf dem 12. Platz, also im mittleren Drittel. Auf die zahlreichen Ausfälle weiß das Trainerteam stets zu reagieren und behielt das Spielsystem bei. Der Rückhalt der Fans ist erstklassig, die auch spüren, dass die Mentalität der Kiezkicker stimmt, deswegen gibt es den Support auch bei einem unterdurchschnittlichem Auftritten wie beim letzten Heimspiel 2024 gegen Werder Bremen.
Beim Bundesliga Topspiel des 14. Spieltags trafen zwei befreundete Fanlager aufeinander, vor dem Spiel gab es eine gemeinsame Choreographie, nach Beginn der 2. Hälfte ebenfalls. Während es neben dem Platz heiß herging, waren die 90 Minuten auf dem grünen Rasen nicht ganz so attrakttiv. Werder Bremen spielte nicht mehr als sie mussten, hatte zwei echte Torchancen, die sie eiskalt ausnutzten. St. Pauli war wie eh und je engagiert, aber ohne das nötige Spielglück und eine gewisse Kaltschnäuzigkeit. Dabei muss jedoch zumindest erwähnt werden, dass so ziemlich die Hälfte des Hambuger Kaders verletzt oder gesperrt fehlt. In der Offensive lief das Dreiergespann Sinani, Eggestein und Afolayan auf. Keine gewagte Theorie, dass die beiden verletzten Spieler Saad und Scott Banks, sowie der gesperrte Guilavogi mindestens die gleiche Qualität mit sich bringen. Ein Umstand, der von den St. Pauli Verantwortlichen nach der 0:2-Niederlage nicht als Ausrede akzeptiert wird. Und genau diese Einstellung braucht es im Abstiegskampf. Ebenso wie realisitische Ambitionen.
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel forderte Blessin „müssen jetzt etwas Zählbares aus Stuttgart holen“. Eineinhalb Wochen zuvor wünschte er sich aus den Spielen gegen Leverkusen, Bremen und Stuttgart 3, 4 Punkte. Durch die knappe 1:2-Auswärtsniederlage beim deutschen Meister und die anschließende Heimpleite gegen Bremen ist dadurch unfreiwillig ein kleiner Siegzwang entstanden. Blessin ruderte jedoch nicht zurück und entgegnete auf meine Nachfrage, „wir wollen da etwas holen“ – und behielt recht. Beim 1:0 in Stuttgart war sicherlich auch eine Portion Glück dabei, schließlich hatte der Champions League Teilnehmer ein x-Goalwert von 2,9. Auf der anderen Seite hätte Eggestein auch einen Doppelpack schnüren können, doch den Elfmeter schoss er in die Arme von Nübel. Auch Afolayan hätte einige Male auf 0:2 stellen können, scheiterte doch in einer Situation am Pfosten und machte ansonsten erneut ein gutes Spiel. Bleibt St. Pauli bei seinen Stärken kann Blessin weiter zu arbeiten ohne auf die Konkurrenz zu schauen.