Die Millerntor-Premiere von St. Pauli

veröffentlicht am 2. Dezember 2024

Der Bann ist gebrochen, St. Paulis verdienter Sieg gegen Mitaufsteiger Holstein Kiel sorgt nicht nur für das erste Heimtor in dieser Saison, sondern auch für einen Abstand von 6 Punkten auf einen direkten Abstiegsplatz. Durch das getankte Selbstbewusstsein und die gezeigten Leistungen in dieser Spielzeit müssen sich die Kiezkicker vor keinem Gegner verstecken – auch nicht nächste Woche beim Deutschen Meister.


„Wir rechnen uns immer etwas aus und natürlich brauchst du dann immer auch ein wenig Matchglück“, analysierte St. Pauli Trainer Alexander Blessin mit Blick auf die nächste Herausforderung. Der vorangegangene 3:1-Sieg gegen Kiel war auf allen Ebenen verdient, zwar gaben die Gäste nach wenigen Sekunden den ersten Torschuss ab, danach spielte aber erst einmal nur St. Pauli. Die vielen Flanken in der Anfangsviertelstunde fanden zunächst keinen Abnehmer, in der 20. Minute folgte aber eine ansehnliche Kombination über Afolayan, Eggestein zum aufgerücktem Saliakas, der aus der zweiten Reihe ein traumhaftes Tor erzielte. Vor der Pause gab es noch ordentlich Aufregung, als der Unparteiische Felix Zwayer den Kiezkickern einen glasklaren Foulelfmeter verweigerte. Wenig später zeigte er auf den Punkt, nachdem Vasilj aufgrund einer zu kurz geratenen Kopfballrückgabe von Saliakas den Ex-HSVler Holtby im Strafraum legte. Doch der bosnische Nationaltorhüter konnte den Elfmeter von einem weiteren ehemaligem HSV-Akteur, Jann-Fiete Arp, parieren.
Im zweiten Durchgang kontrollierten die Hausherren das Spielgeschehen weitesgehend. Afolayan tankte sich in der 56. Minute willenstark durch, bediente Eggestein, welcher seinen Sturmkollegen Guilavogi in Szene setzte und RUMMS – 2:0. Der eifrige Eggestein konnte sich später auch noch in die Torschützenliste eintragen. Kiel betrieb in der Nachspielzeit in Person von Harres noch Ergebniskorrektur, der Neuzugang vom FC Homburg traf letzte Spielzeit noch als Viertligist im DFB-Pokal auf Eggestein & Co.


Zwar war die Torlosigkeit in den ersten fünf Heimspielen auffällig, jedoch bei genauer Betrachtung in diesem Fall kein Zeichen einer schlechten Offensivabteilung. In den ersten vier Pflichtspielen setzte der neue Coach auf das ihm bekannte 3-5-2, dadurch blieben jedoch die beiden besten Fußballspieler des Kaders, Elias Saad und Oladapo Afolayan, erst einmal außen vor. Nach der Umstellung auf das altbewährte 3-4-3 kam die Mannschaft in Schwung, beispielhaft durch das starke 0:0 gegen Leipzig und den 3:0-Sieg in Freiburg. Beim darauffolgendem Heimspiel verletzte sich Unterschiedspieler Saad wegen eines überharten Foulspiels des Mainzers Dominik Kohr, Blessin und sein Trainerteam entschieden sich nach kurzer Überlegung das Spielsystem für die kommenden Wochen beizubehalten. Eine richtige Entscheidung, die mit Siegen in Hoffenheim und jetzt gegen Kiel belohnt wurde.
Grundsätzlich ist es inhaltlich falsch, St. Paulis Offensive die Bundesliga-Tauglichkeit abzusprechen. Zusammen mit Union Berlin und VfL Bochum stehen 10 Tore nach 12 Spieltagen zu Buche, addiert mit den Torerfolgen aus dem DFB-Pokal sind es sogar einige mehr als bei den Kontrahenten, auch vor den drei Toren gegen Kiel war das der Fall. Verbesserungspotenzial gibt es reichlich, beispielsweise wurde zuletzt die Einsatzbereitschaft von Afolayan und Guilavogi kritisiert. Doch ausgerechnet die beiden Flügelspieler konnten spielerisch und leidenschaftlich überzeugen. Rein defensiv sind die Boys in Brown 5. Platz bei der Anzahl der kassierten Tore, beispielsweise hat mit Leverkusen der deutsche Meister in der bisherigen Bundesliga Saison immerhin 4 Gegentore mehr erhalten.


Der Double-Sieger hat 11 Punkte weniger auf dem Konto als zum gleichen Zeitpunkt letztes Jahr und könnte nach einem Drittel der Spielzeit nicht mal mehr rein rechnerisch die 90 Punkte von 2023/24 erreichen. Insbesondere die englischen Wochen machen Leverkusen zu schaffen, der Unterschied zwischen vier Begegnungen mit Qarabağ Ağdam in der Europa League und Aufeinandertreffen in der Champions League ist bemerkbar. Bei 7 der 8 Punktverlusten in der Königsklasse und Bundesliga musste die Werkself drei oder vier Tage vorher auch antreten, einzig das 1:1 in München folgte nicht diesem Muster. Doch daran anschließend spielte die Elf von Xabi Alonso gegen AC Mailand (1:0), um anschließend nicht über ein peinliches 2:2 gegen Kiel herauszukommen. Auch das größte Sorgenkind der Liga, VfL Bochum, konnte Leverkusen im Abschluss derer englischer Woche einen Punkt entführen. Kapitän Jackson Irvine ist sich dessen bewusst, „wir sind in der Lage, wenn wir auswärts an unser Maximum kommen, diesen Teams Punkte zu klauen“. Zusätzlich hat die Werkself nach dem knappen 2:1 Sieg in der Alten Försterei gegen Union Berlin morgen noch den Pokal-Kracher auswärts bei Bayern München, am kommenden Dienstag ist Inter Mailand zu Gast.

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Fridolin Haagen

Jahrgang 2004, freier Journalist für die taz, den Freitag und die Fußball-Woche.

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