Die Bild ist empört: “Podcaster schlägt TikTok-Verbot für über 60-Jährige vor”.
Aber auch seriöse Medien wie der Stern: “Social-Media-Verbot ab 60? Podcaster mit
provokativem Vorschlag” oder das RND: “Social-Media-Verbot ab 60? Provokanter Vorschlag
sorgt für Diskussion”, beteiligen sich an der Diskussion, die auf die “Hart aber fair”-Ausgabe
vom 29.09.25 folgte.
Doch die Aussage von Levi Penell, einem Content-Creator mit 630.000 Followern allein auf
TikTok, wird verkürzt dargestellt. Denn vor seiner Aussage “… in der Konsequenz
müssen wir vielleicht auch mal Diskutieren über ein Social-Media-Verbot ab 60” begründet er
das mögliche Verbot: 61% aller Schulkinder können KI-Bilder von echten Unterscheiden.
Damit liegen die Minderjährigen im von der University of Waterloo herausgefunden
Durchschnitt.
Es gibt jedoch noch eine Bevölkerungsgruppe, die mit Vorurteilen gegenüber ihrer digitalen
Kompetenz konfrontiert ist: die Babyboomer. Diese Generation ist ohne Medien
aufgewachsen. Was viele für etwas Gutes halten, ist hier ein Nachteil. Während die
Generationen Y und Z sich seit der Kindheit mit Fake-News und KI-Inhalten beschäftigen, ist
das Internet für ältere Menschen oft Neuland – so zumindest der Volksglaube.
Das Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit fand jedoch keine signifikanten
Unterschiede in der Medienkompetenz verschiedener Generationen.
Wenn kein Unterschied in der Auseinandersetzung mit Sozialen Medien gefunden wurde,
wie sinnvoll ist dann ein Verbot für bestimmte Bevölkerungsgruppen?
Schauen wir uns dafür Australien an, den Vorreiter beim digitalen Jugendschutz.
Seit Dezember letzten Jahres gilt dort ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige.
Das Ergebnis: ernüchternd. Die australische Behörde “eSafety Commissioner” berichtet,
dass 80% aller 8 bis 12-Jährigen auf Social-Media aktiv sind, danach sind es sogar 95%.
Bisherige Kontrollverfahren konnten dem nicht entgegenwirken. Die Leiterin der
Regierungsbehörde, Julie Inman Grant, setzt deshalb auf die Mithilfe von Eltern und
Schulen.
Um die Alterssperre zu umgehen, ist bisher nur ein Klick nötig. “Sind Sie 16 oder älter?” – die
Antwort fällt nicht schwer.
Eine australische Regierungskommission erarbeitet nun härtere Identifikationsmethoden,
dabei präferiert sie eine Anmeldung mit Ausweis. Diese Methode ist aber aus
Datenschutzgründen höchst bedenklich. Jede große Online-Plattform ist in Privatbesitz und
weder Mark Zuckerberg noch Elon Musk sind für ihren vertraulichen Umgang mit Daten
bekannt. Darauf weist auch der Chaos-Computer-Club hin.
Die Umsetzung ist also bedenklich, die Faktenlage nicht ausreichend. Was treibt die australische
Regierung zu so dramatischen Schritten? Wieso setzt sich auch unsere Bildungsministerin
Karin Prien für Beschränkungen ein?
Und warum bleibt die junge Generation dabei ungehört?
Prien spricht von massiven gesundheitlichen und psychischen Gefahren, die australische
Regierung von Mobbing und Sucht. Auf den Jugendpolitiktagen zeigen sich viele junge
Menschen skeptisch. Sie wünschen sich, mehr gehört zu werden und kritisieren das hohe
Durchschnittsalter der deutschen Expertenkommission.
Rückenwind bekommen sie dabei vom deutschen Lehrerverband und Bayerns
Ministerpräsidenten Markus Söder, die eine funktionierende Altersbeschränkung als
realitätsfern bezeichnen, siehe Australien. Luke Hoß, Deutschlands jüngster
Bundestagsabgeordneter, beschreibt Social Media auch als Informations- und
Nachrichtenquelle.
Natürlich äußert sich Levi Penell auch hierzu. Er argumentiert, dass Kinder und Jugendliche
unausweichlich mit den sozialen Medien konfrontiert werden. Deshalb sollte der Umgang mit
diesen eher gelehrt als verboten werden.
Die Wirksamkeit von Verboten zeigt sich in der deutschen Drogenpolitik, die zu stetig
steigenden Drogentoten führt.
Das Internet ist kein Neuland mehr, Social-Media hat sich längst etabliert und Künstliche
Intelligenz ist nicht mehr wegzudenken. Ein Verbot hält diese Bewegung nicht auf, eine
Stigmatisierung junger Leute verbessert deren Medienkonsum nicht. Australien wollte klare
Kante zeigen und muss sich jetzt wieder auf Eltern und Lehrende berufen.
Wenn eine Altersbeschränkung von Social-Media, egal ob bis 16 oder ab 60, weder auf
Zustimmung, noch auf die Realität trifft, sollten wir dann nicht lieber diskutieren wie, statt ob
wir Social-Media nutzen?





