Das 0:1 gegen den SC Freiburg markiert den bisherigen Höhepunkt der Unzufriedenheit auf St. Pauli. Nach einem unnötigem 1:1 gegen FC Augsburg und einer unverdienten 2:0-Niederlage in Leipzig, ist nun sowohl die sportliche Tabellensituation als auch die Stimmung im Keller. Stellvertretend dafür ist der gereizte Trainer Alexander Blessin und der zum Teil ausgepfiffene Präsident Oke Göttlich.
Neben der angespannten fußballerischen Situation in der Männer-Bundesliga kommt noch ein gesellschaftspolitisches Thema mit hoher Brisanz hinzu. Laut einer Recherche des FC St. Pauli Museums war Texter Josef Ollig ein NS-Propagandist. Das Lied „Herz von St. Pauli“ wurde immerhin zwei Jahrzehnte als Stadionhymne verwendet. Die neueste Entdeckung wirft beim linken Kiezklub die Frage auf, ob das Spielen von diesem Song noch vertretbar ist. An diesem Samstag wurde die Hymne im Millerntor erstmalig ausgesetzt, dies warf gemischten Reaktionen der Fans auf. Clubpräsident Oke Göttlich wandte sich vor Spielbeginn gemeinsam mit Spieltagsleiter Sven Brux an das Publikum, letzterer konnte die Gemüter ein wenig beruhigen mit der Aussage, „hier ist Nichts von oben herab beschlossen worden“. Es habe am Donnerstag ein Treffen mit zahlreichen Fangruppen gegeben, bei dem der einstimmige Konsens gewesen sein soll, die Hymne erst einmal auszusetzen und nach dem Gutachten zu entscheiden. „Wir brauchen eine Lösung mit Herz und Verstand“, betonte Göttlich. Bei dessen Rede war es durchaus auffällig, dass es eine deutliche Zustimmung von den Ultras Sankt Pauli auf der Südkurve und der Gegengerade gab, während die Haupttribüne mit vielen Pfiffen und Zwischenrufen reagierte.
Das Fußballspiel hingegen konnte selten den Puls erhöhen. Genau genommen waren es nur die letzten fünf Minuten beider Halbzeiten in einem extrem langweiligem Spiel. In der 45. Minute bekamen die Freiburger einen Foulelfmeter zugesprochen, den Vincenzo Grifo in die Arme von St. Paulis Keeper Nikola Vasilj chippte. Damit hat der bosnische Nationaltorwart alle drei Elfmeter in dieser Saison pariert, neben dem Versuch von Kiels Fiete Arp scheiterte Grifo auch in der Hinrunde, sodass St. Pauli 3:0 in Freiburg gewinnen konnte. Doch der Sport-Club konnte sich für die Pleite revanchieren, das entscheidende Tor fiel kurz vor Schluss für die Gäste. Die scharfe Hereingabe von Freiburgs Kapitän Christian Günter fälschte Philipp Treu ins eigene Tor ab, die Elf von Alexander Blessin konnte auch das 13. Mal nach einem Rückstand keinen Punkt in der Bundesliga holen.
Blessin zeigte sich gereizt, kassierte kurz nach Schlusspfiff seine vierte Gelbe Karte wegen Meckerns, weswegen er beim kommenden Spiel in Mainz gesperrt sein wird. Auf der anschließenden Pressekonferenz brach er einem Reporter ins Wort, als dieser Kritik an der Offensive in seiner Frage einbaute. Nach einem verdutztem „ganz normale Frage“ entgegnete Blessin „ja, hab ich aber schon öfters gehört und deswegen geht´s mir auf den Sack!“ Tatsächlich hat der Trainer der Boys in Brown inhaltlich aber recht, die Offensivabteilung wird oftmals schlechter dargestellt, als sie es in Wirklichkeit ist. Zum einen haben die Kiezkicker mehr Tore in den nationalen Wettbewerben erzielt (23) als die beiden Konkurrenten Union Berlin (22) und VfL Bochum (21). Zum anderen liegt der primäre Fokus in der Defensive, nur die Bayern haben nach 22 Spieltagen weniger Gegentore kassiert. Und diese Priorisierung ist genau richtig, ansonsten hätte St. Pauli wohl kaum die beste Tordifferenz der abstiegsbedrohten Teams.
Auch bei der Debatte rund um die Hymne sieht es gar nicht so schlecht ist. Es ist ein schwieriger Prozess, am Ende einer Diskussion so viele wie möglich zufrieden zustellen. Doch die Transparenz der Vereinsführung und die Einbindung der Fans lassen ein solches Szenario zu. Denn auch das Stadion hört nicht seit immer auf den Namen Millerntor. Bis 1998 hieß die Heimspielstätte Wilhelm-Koch-Stadion. Doch nachdem die Mitgliedschaft in der NSDAP des Ex-Präsidenten aufgedeckt wurde, folgte die Umbenennung. Ein Schritt, den wohl die Wenigsten beim FC St. Pauli bereuen.