Oppenheimer – der zweitbeste Nolanfilm?

Warum könnte Oppenheimer zum besten Nolanfilm seit The Dark Knight werden? Zuerst ist Christopher Nolans Grundniveau uneingebrochen hoch, wobei auch Tenet keine Ausnahme stellt. Oppenheimer könnte jedoch durch ein aufgebautes Klimax zum Ausreißer werden.

In The Dark Knight Rises und Interstellar werden die jeweiligen Hauptprotagonisten in einem recht klassischem Filmschema von Anfang zum Ende geführt. Die Charaktere Bruce Wayne und Cooper starten bei einem gewissen Punkt A und werden daraufhin durch Charakterdynamiken, -beziehungen, und -höhepunkten zu einem Punkt B geführt – ein Muster, wie mit Protagonisten umgegangen wird.  Nolans letzten beiden Filme, Dunkirk und Tenet, brechen mit diesem Muster. In Dunkirk gibt es weder Protagonisten, noch Charakterentwicklung, oder einen Plot – es gibt ein historisches Ereignis, welches durch die Perspektive eines gewöhnlichen Soldaten auf atemberaubende Weise dem Zuschauer nahe gebracht wird. Denn wann ist der Hauptcharakter jemals gewöhnlich? Es geht nicht um den Protagonisten, die Charakterentwicklung oder den Plot – sondern um das Gefühl, welches beim Zuschauen entsteht. Dadurch ist Dunkirk ein typischer Nolanfilm, viel mehr als The Dark Knight Rises oder Interstellar.

Tenet bringt dem Zuschauer etwas Neues, denn obwohl es wieder Protagonisten, Charakterentwicklung und Plot gibt, bleibt der Protagonist namenlos. Der Protagonist wird mit dem Konzept der Inversion konfrontiert, die Entropie einzelner Gegenstände und letztendlich auch Menschen kann durch zukünftige Technologie umgedreht werden, wobei wir als Zuschauer sowohl dieses Phänomen als auch den Protagonisten nicht kennen. In der letzten Szene erklärt sich der Zusammenhang, wodurch erst beim zweiten oder dritten Mal die Komplexität des Protagonisten überhaupt erschlossen werden kann. Erneut sprengt Nolan den Rahmen und hebt die Prämissen für den Aufbau eines Protagonisten gnadenlos auf, jedoch auf eine vollkommen neue Weise – ein typischer Nolanfilm eben. 

Oppenheimer wird eine Biopic, die Lebensgeschichte eines Wissenschaftlers. Ein Filmformat, wo der Protagonist besonders im Fokus steht und wir wissen, dass Nolan nicht den typischen Entwicklungsweg darstellen wird. Den beiden vorangegangenen Filmen wird als Klimax ein weiterer Nolanfilmen folgen, der das klassische Filmmuster rund um den Protagonisten aufbrechen wird und den Rahmen sprengen wird.  Dank Dunkirk ist bereits klar, dass Nolan mit der Thematik des 2. Weltkrieg ausgezeichnet umgehen kann und durch Tenet ist sein hervorstechendes Interesse an Robert Oppenheimer zusätzlich angedeutet worden. In einer Szene wird eine Wissenschaftlerin aus der Zukunft, welche für die Herstellung des Algorithmus´ verantwortlich ist, mit Robert Oppenheimer verglichen. Interessanterweise wurde in dieser Szene aufgegriffen, dass Oppenheimer bei der Zündung der ersten Atombombe mit der Gefahr d’accord war, die Welt durch eine Kettenreaktion zu zerstören, dieser Aspekt wird auch im neuesten Christopher Nolan Film einen Platz finden. Der Algorithmus aus Tenet kann nicht nur einzelne Objekte oder Lebewesen invertieren, sondern die Entropie der gesamten Welt, womit wir beim Großvaterparadoxon angekommen wären. Die Komplexität von Tenet lässt sich zuerst nur erahnen, doch nun weiter mit der Analyse von Nolans Protagonisten und einer Theorie. 

Priya und der Protagonist in Tenet

Denn bei der Wissenschaftlerin könnte es sich um die Frau am Anfang des Films handeln, die den Protagonisten mit dem Konzept der Inversion vertraut macht, folglich bleibt Nolan beim Storytelling auch die Möglichkeit, einem Oppenheimer aus der Zukunft eine wechselnde Erzählperspektive zufließen zu lassen oder wie in Dunkirk mit den Timelines zu experimentieren. Oder eben etwas Neues. Typisch Nolan eben. Cillian Murphy hierbei ist eine ideale Castingentscheidung für den Hauptcharakter. Aufgrund seiner allgegenwärtigen Präsenz in Peaky Blinders wird er zu oft zu sehr auf diese eine Rolle reduziert. Damit will ich keinen Fans dieser Serie auf den Schlips treten, allerdings wird er in Oppenheimer in Charakteraspekten wie Selbstzweifel, Unsicherheit und Schuld gefordert sein, genau wie Nolans speziellen Protagonistenanforderungen. Jedoch sehe ich, einerseits durch Murphys Talent und der langjährigen Zusammenarbeit mit Christopher Nolan sehr gute Chancen, dass er das auch meistern wird.

Das Potential von dem im Juli erscheinenden Film ist riesig, auch wegen des atemberaubenden Casts. Durch die beiden vorangegangenen Filme von Nolan ist der kreative Höhepunkt des Regisseurs in Oppenheimer nahezu unausweichlich. Dennoch wird aller Voraussicht nach The Dark Knight das Non Plus Ultra für mich persönlich bleiben, die Inszenierung des Jokers im zweiten Teil der Batman Trilogie sucht aus meiner Sicht noch immer seinesgleichen, doch auch alle weiteren Kriterien für die Erfüllung eines grandiosen Films sind für mich erfüllt. Auf den Kinostart in wenigen Wochen fieber ich also schon lange hin, war doch das diesjährige Kinohighlight für mich bislang Guardians of the Galaxy Vol.3.

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